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against-the-wind 24.09.2005

Tschechien, Polen, Slowakei bis zur Ukraine (Teil 1)

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Tschechien, Polen, Slowakei bis zur Ukraine (Teil 1)

und natürlich auch wieder zurück....
Ihr sucht eine Tour mit kleinen Seitenstrassen, wenig Verkehr, in einer Gegend die schön und preisgünstig ist? Mit ein wenig Abenteuer? Na gut ..... da hab ich was für euch ...
Teil 1
Tag 1: Die Ouvertüre
Start km 43109, Frankfurt
Blauer Himmel bei der Abfahrt. Kein Regen? Das gibt’s doch gar nicht. Wenn ich auf eine Tour aufbreche, regnet es doch immer .....
Natürlich ist noch ein Auftrag reingekommen, der ganz dringend erledigt werden muss. Und dann noch hier ein Telefonat und dort ein Gespräch. Eigentlich wollte ich ja mal um 10 Uhr morgens losfahren. Nun ist es kurz nach eins. Gemütlich über Land fahren? Nein, das ist heute nicht mehr so drin, ich beginne mit Autobahn. In Würzburg mach ich noch einen Abstecher beim Fotografen Welz und in Zeil am Main tanke ich schon rein nostalgisch am Autohof, dort hab ich vor 9 Jahren einen Teil meiner Ausbildung zugebracht. Hier ist auch schon Ende mit dem blauen Himmel. Es wird leicht grau und zieht sich zu. Wird es heute doch noch regnen?
Auf der Autobahn geht’s bis Münchberg und dann über Hof, Adorf und Markt Neukirchen durch die ersten Umleitungen nach Klingenthal. Auch das Fichtelgebirge ist ganz nett. Die Ampelmännchen sehen lustig aus, aber auffallend viele Geschäfte stehen leer.
Kurz vor der Grenze sehe ich noch einen Campingplatz, aber nein – ich bin noch nicht weit genug gefahren. Gegen 18.00 Uhr bin ich an der Grenze. Da ich weiß, dass 100 m hinter der Grenze das Handy wahrscheinlich schon nicht mehr geht, also versuche ich mich telefonisch von meinen Lieben zu Hause abzumelden. Aber da führt wieder jemand Dauergespräche ... es ist nur belegt.
Also, schwupp über die Grenze zu Tschechien bei km-Stand 43492. An den asiatischen Händlern, die links und rechts der Strasse vom Gartenzwerg bis zur garantiert echten Rolex alles anbieten merkt man schnell, dass man nun in Tschechien angekommen ist. Da hab ich nun gedacht, direkt an der Grenze könnte man Geld tauschen, aber Irrtum. In Kraslice, dem ersten grösseren Ort gibt’s zum Glück einen Geldautomaten und ich kann mir was ziehen. 100 EUR sind etwa 3000 kr. Nun ist mir wohler.

Über Jindrichovice geht’s Richtung Nejdeck und bei den Strassen kommt schon der angenehme Vorgeschmack auf Motorradtour auf. Dummerweise wird’s aber jetzt dunkel und ich stelle fest, dass ich zwei Irrtümern aufgesessen bin:
Irrtum Nr. 1: überall gibt’s Pensionen.
Irrtum Nr. 2: überall gibt’s Campingplätze.
In Nejdeck gebe ich die Suche nach Camping auf und frage notgedrungen im „Vinarna u Kostela“ nach: 12 EUR für ein Zimmer mit Dusche incl. Frühstück? Und deswegen fahre ich hin und her und suche einen Campingplatz? Also nee....
Zum Abendessen geh ich vornehm aus im Hotel Anna mit den drei Sternen. Empfehlenswert gut – zusammen mit dem Pils kostet mich das 160 Kronen, also ..... etwa 5,50 EUR. Ach, diese tschechischen Preise sind einfach angenehm.....
Tag 2: Rübezahl wartet
Nejdeck km 43577
Ich wache früh auf und freue mich auf das Frühstück. Die Freude hält, bis ich Nescafe in meiner Tasse entdecke. Igitt.....
Bevor ich starte, schau ich mir nochmal kurz Nejdeck an. Nettes Städtchen. Im Zentrum ist ein kleiner Bachlauf angelegt und symbolische Brücken mit tschechischer Inschrift angelegt. Vermutlich die Geschichte der Gegend, aber tschechisch versteh ich halt nicht. Eine ältere Frau kommt vorbei, ich spreche sie an. Aber es zeigt sich, dass sie Ungarin ist und natürlich perfekt ungarisch und tschechisch, dafür aber keine der mir geläufigen Sprachen kann. Schade.




Ich starte die Tour und fahre Richtung Pernink und dort nach Nove Hamry. Schwarzwaldfeeling stellt sich ein, das ist ja eine Gegend fast wie Modelleisenbahn, ich fahre durch Tannenwälder, an Bachläufen entlang, Berge hoch und runter und alles auf kleinen Landsträsschen fast ohne Verkehr. Um 10:30 Uhr, da bin ich schon zwei Stunden unterwegs, kommt mir das erste Motorrad entgegen. Von den Träumen werde ich nur hin und wieder durch die unzähligen Schlaglöchern aufgerüttelt, die hier im Asphalt eingelassen sind.

Bei Jachtymov fährt man geradewegs durch eine Fabrik. Es geht immer höher und höher und in Bozi Dar ist der Wind schon frisch. Das ist hier oben Wintersportgebiet, Pisten, soweit das Auge blickt, und jetzt im Sommer werden einfach die Strassen für den Langlauf verwendet. Man nimmt einfach Skier mit Rollen dran. Wobei .... alle Strassen sind nicht geeignet. Nur die mit wenig Schlaglöcher.....
Vorbei geht’s an Medenec an einem See, dessen Namen nicht ermittelbar ist, an Vysluni vorbei und dort fahre ich bei Reitzenhein erst mal wieder über die Grenze nach Deutschland. Die Karte zeigt nämlich eine schöne Strecke entlang der Grenze an, die will ich fahren. Da geht’s über Rübnau nach Olbernhau und Deutschneudorf, Deutschneueinsiedel. In Neuhausen fahre ich am wohl weltgrössten Nussknacker vorbei. Das Nussknackermuseum ist sicher interessant, aber jetzt nicht die passende Jahreszeit.

Weiter über die deutsche Alleenstrasse über Reichenberg-Bienenmühle, über Umleitung, Neuhemsdorf und bei Moldava (Moldava – klingt irgendwie nach Grossstadt, ist es aber nicht) geht’s wieder nach Tschechien.
Über Nove Mesto und Mikulov auf die 27 nach Dubi, dort erst mal falsch abgebogen und erst als ich schon wieder kurz vor einer deutschen Grenze stehe, wieder umgekehrt und die 253 nach Usti gefunden. Hier etwa ist erst mal Schluss mit den idyllischen Strassen über Feld, Wald oder Wiese. Von Chlumec bis Usti nad Labem ist es etwa so aufregend wie von Essen nach Duisburg.

Usti nad labem ist mir schon als grössere Industriestadt bekannt, da will ich nicht wirklich anschauen gehen, also möglichst schnell durch – nur wie. Ich frag den Polizisten, der grad eine Kontrolle macht und der erklärt mir den Weg zu der wahrscheinlich einzigen Brücke.
Auf der anderen Seite der Labe (auf deutsch: Elbe) geht’s ein Paar Kilometer Richtung Dresden – das ist etwa so, wie wenn man dem Rhein entlang fährt.
Die Abzweigung Richtung Ustek ist gar nicht so einfach zu finden, die kleinen Wegweiser übersieht man schnell. Aber endlich bin ich runter von den Hauptverkehrsstrassen und wieder auf Wegen, wo wenig Verkehr ist und die Landschaft idyllischer.
In Ustek fahr ich gleich weiter nach Ceska Lipa. Km 43843. Dort kenn ich noch vom letzten Mal eine Bar in der es guten Kaffee gibt. Auf dem Marktplatz angekommen parke ich erst mal das Mopped sorgsam auf einem Parkplatz für PKW und bezahl den Parkwächter mit ein paar Kronen. Das schafft ja schliesslich Arbeitsplätze.
Schade, die Bar hat sich verändert, aber dennoch gibt’s annehmlichen Cappuccino und ein Stück Kuchen. Jetzt weiss ich nicht so recht wie es weitergehen soll. Schliesslich entscheide ich mich über Mimon, Mnichovo Hradiste auf die 16 Richtung Jicin zu kommen, um Trutnov anzupeilen.

In Jicin fällt mir wieder auf, wie konsequent die Tschechen in vielen Städten den Verkehr aus den historischen Stadtzentren heraushalten. Theoretisch kann man zwar reinfahren, sofern man wirklich weiß, wie. Die Wegweiser führen jedoch meistens zu einem Parkplatz in der nähe. Das ist ein wenig schade deshalb, weil ich das Motorrad mit dem Gepäck ungern lange unbeaufsichtigt stehen lassen will. Dafür aber sind die historischen Innenstädte weitgehen frei vom Verkehr.
Jicin hat eine angenehme Atmospäre, eine grosse Fussgängerzone und viele historische Bauten. Ich mach ein kleines Päuschen und fahr dann weiter in Richtung Trutnov. Am Ortsausgang von Jicin gibt’s Stau wegen Verkehrsunfall. Frontalzusammenstoss von einem PKW mit einem LKW. Das Auto ist nur noch ein Blechknäuel, da will ich nicht drin gesessen haben.
Für Riesengebirge ist die Gegend noch nicht so umwerfend. Ich komme gegen 18.00 Uhr in Trutnov an. Die Stadt sieht auf der Karte so klein aus aussieht – sie ist aber überraschend gross, eine Mischung aus Industriestadt und Plattenbauten. Hier wiederholt sich das gleiche Spiel: Wo, verdammt, ist das Zentrum ? Irgendwie ist die Innenstadt weiträumig abgesperrt. Schließlich parke ich mein Rad und versuch zu Fuß dorthin zu gelangen, wo der Marktplatz sein müsste. Nach einem längeren Fussmarsch find ich sie auch. Hm, ja, ganz nett. Die Figur auf dem Brunnen müsste Rübezahl sein. Ansonsten sieht es nicht viel anders aus, wie in den Städten davor. Die Geschäfte sind auch schon zu. Also, ich lauf zurück zum Motorrad und komm am Gebäude vorbei, in dem die Polizei und wohl auch die Stadtverwaltung residiert. Wie man den Klotz da nur dazubauen konnte? Also nee..... Diese Scheußlichkeit ist ja schon preisverdächtig.

Also, Trutnov ist mir zu gross, es ist noch hell, ich will doch noch Rübezahl sehn, ich fahr also weiter Richtung Adrspach. Jetzt plötzlich bin ich auf Serpentinensträsschen mit überwältigender Aussicht auf die ländliche Abendstimmung.
Immer wieder komme ich an böhmischen Riesengebirgs-Bauernhäuser oder Villen vorbei. Da kaum eines der Bauten wirklich nobelsaniert wurde, steckt immer noch viel Geschichte drin.....


Und dann taucht plötzlich auch noch die Felsenlandschaft von Adrspach vor mir auf. Wie wenn Rübezahl hier seine Hinkelsteine hingestellt hätte. Obwohl schon halb acht, das will ich mir ansehen und ich bin erstaunt. Hier hätte Karl Mays „Schatz im Silbersee“ sicher gut verfilmt werden können.....


Leider beginnt es jetzt schon zu dämmern, und ich muss meinen Spaziergang durch die natürlichen Skulpturen abbrechen und mich dringend nach einer Bleibe für die Nacht umsehen. Das direkt danebenliegende Hotel verschmähe ich, schließlich will ich nicht den Abend in einer Touristenabsteige verbringen. Ich komme am Campingplatz vorbei – hm? Campen? Aber wo dann essen gehen? Ich entscheide mich, noch weiter zu fahren und frage nach 5 km in einer nett aussehenden Pension. „Alles belegt“ ist die Antwort, sie empfehlen mir das Touristenhotel an den Felsen. Behagt mir aber nicht. Ich fahr weiter nach Teplice. Endlich, da steht an einem Restaurant „Zimmer frei“. Gefällt mir. Ich zirkele mein Motorrad eine gefährlich enge Steilkurve zum Parkplatz neben dem Eingang hoch und ich hab das Motorrad grad abgestellt, da kommt mir schon einer entgegen und erklärt, dass sie belegt sind.
Nun hab ich ein Problem. Jetzt ist nämlich schon fast 21 Uhr und gleich stockdunkel. Was tun? Zurück zum Camping und im Dunkeln das Zelt aufbauen und hungern? Oder in die nächste Stadt fahren? Ich fahre weiter nach Broumov. Schade, das muss eine sehr schöne Strecke sein, aber jetzt hab ich nur noch Augen für die Strasse und scanne sie nach Schlaglöchern ab. 20 Minuten später bin ich auf dem Marktplatz von Broumov. Das Hotel hier gefällt mir nicht, ich dreh eine Runde auf dem Marktplatz und fahr noch mal ein Seitensträsschen – und da ist es. Das Hotel Winterswijk, es hat noch ein Zimmer für mich (umgerechnet 18 EUR) und vor allem: ich kann noch was richtig gutes zu Essen kriegen. Da hab ich ja Glück gehabt.
Wo ich mein Motorrad hinstellen kann? Hinters Haus auf die Gasse. Da ist fürchterlich dunkel. Kaum komm ich wieder rein, sagt man mir, ich könne es gerne auch in die Garage stellen und der Koch schliesst mir seine Abstellgarage auf, und ich parke Iron Lady zwischen Erbsen und Mehl. Hätte ich auch noch die Camera aus dem Topcase genommen, hätte ich zu später Stunde den riesigen Vollmond über der Altstadt von Broumov fotografieren können.
Tag 3: Weiter nach Osten
Broumov km 44010
Blauer Himmel am Morgen. Das Wetter scheint stabil zu bleiben. Also werde ich mich weiter nach Osten wagen. Das Frühstück: Brötchen, Wurst und Käse, dazu ein Paar gebratene Würstchen – hm, da hab ich mir mal früher den Magen verdorben, das kann ich jetzt nicht riskieren. Gewohnheitsmäßig hab ich Kaffee bestellt – ein Fehler, wie sich zeigt. Passionierte Kaffeetrinker sollten in Tschechien auf jeden Fall Tee bestellen.....
Mittlerweile weiß ich auch, weshalb meine Gepäckrolle so leicht und klein ist. Ich hab meinen Stapel von T-Shirts zu Hause liegen lassen.....
Natürlich drehe ich erst noch eine Runde in Broumov und schaue mir das morgendliche, tschechische Kleinstadtleben an.


Von Broumov aus überquere ich die Grenze nach Polen (km 44192): Da bin ich überrascht. Nichts ist los an der Grenze und die haben noch einen richtigen Schlagbaum, der sich hebt, nachdem meine Papiere für gut befunden wurden, und hinter mir wieder runter geht.

Ich fahre über Gajow und Kartow Richtung Kudowa Zdroj. Traumhaft: schöne Gegend, kein Verkehr auf den Strassen. Kilometerlange Alleen wechseln sich ab mit kurvigen Bergsträsschen mit Serpentinen durch den Wald. Die Schlagstärke nimmt teilweise den Wert 7 auf der nach oben offenen Skala an.


Bei Szczeliniec Wielki kann man wieder die Steinkolosse sehen, allerdings nicht ganz so beeindruckend wie auf der tschechischen Seite. Immerhin kann man sich die Gegend mal zum Spazierengehen vormerken.
Dort begegnet mir an diesem Tag um 10.30 das erste Motorrad. Der Fahrer, ein Pole, erzählt mir, es ist ein Boxer Nachbau, 54 Jahre alt und er hat es vor ein paar Jahren aus Militärbeständen gekauft.

Weiter geht’s durch die wunderschön bewaldete Strecke bis Kudowa Zdroj. „Zdroj“ heißt „Quelle“ – das entspricht also dem deutschen „Bad“. Der Kurort selbst enttäuscht mich. Lediglich das Geländer an der Strasse mit Noten drauf find ich witzig. Aber ich finde hier auch einen Geldautomat und kann mir meine ersten Zloty ziehen.

Dann zieht es mich weiter. Auf der Karte hab ich die landschaftlich schöne 389 über Mestowice bis nach Miedzylesie gesehen, die will ich fahren. Auf der roten 8 komme ich bis zur Abzweigung nach Mestowice – und dort ist die Strasse gesperrt. Keine Umleitung, kein Hinweis. Das irritiert mich nun, schade. Jetzt muss ich meine Tour umplanen. Ich fahre zuerst mal weiter nach Klodzko. Hier ist nun Schluss mit Kurstadt, das merkt man am Verkehr deutlich, ich steh erst mal im Stau. Ich habe Mühe wieder etwas in Zentrumsnähe zu finden, wo ich mal mein Moto hinstellen kann. Ich schau mir die Stadt ein wenig an: hier zeigt sich schon, was ich auf meiner weiteren Tour noch öfter sehen werde: die Städte auf polnischer Seite sind samt und sonders bei weitem nicht so farbig renoviert, wie die tschechischen. Hier dominiert das allgegenwärtige Grau.
Und was ebenfalls auffällt: die tschechischen Städte sind mehrheitlich ungefähr kreisförmig um den Marktplatz gebaut, die polnischen dagegen vom Marktplatz ausgehend entlang der Verkehrswege in alle Richtungen. Im Resultat sind die polnischen Städte oft fürchterlich groß (oder eher „lang“) und sie gehen übergangslos von der einen in die andere Stadt über. Für´s Motorradfahren ist das natürlich lästig – man fährt kilometerlang im Ort....

Auf dem Asia-Markt fülle ich meinen Tshirt Bestand ein wenig auf, und beim Zurückkommen erwartet mich am Motorrad schon ein neugieriger Bewunderer der Marke BMW. Ein älterer Herr staunt und erzählt, dass er selbst lange Jahre in ganz Europa als LKW-Fahrer unterwegs war. Dann gibt er mir noch den Tip für meine Tour nach Südosten die Grenze nach Tschechien südlich von Otmuchow zu queren, dort gäbe es keine Lastwagen und der Weg wär wunderschön. Merkwürdig, dieser Grenzübergang ist in meiner Karte nicht verzeichnet, aber die Einheimischen müssen es ja wissen, oder? Für solche Geheimtips bin ich natürlich dankbar, und ich lasse die Staus in Klodzko hinter mir um die 40 km nach Otmuchow zu fahren.
Die Erfahrung mit der Karte zeigt schnell: rote Strassen schlecht, gelbe Strassen gut. Die roten sind mehr oder weniger breite Strassen, die man aber leider mit Lastwagen, Fiat Polskis und Pferdefuhrwerk teilt und die meistens langweilig sind. Mehrheitlich sind Polen sehr ordnungsliebende Fahrer. Km-Beschränkungen werden ziemlich genau eingehalten und manchmal ist ans Überholen nicht zu denken.
In Otmuchov gibt’s ne kleine Pause, in der cukiernia hol ich mir was zum beißen. Sie haben eine neue renovierte Kirche und die Statue eines mit Knüppel bewehrten Bergbewohners. Das muss wieder eine Art Rübezahl sein. Außerdem gibt’s an dem Ort sogar einen Info-Shop für Touristen, und dort hinein gehe ich um meine Restzweifel zu eliminieren. Ich frage noch mal, ob der Grenzübergang im Süden tatsächlich passierbar ist. „Tak, mozna“, ja, das ist möglich.

Genug Pause, ich sitz wieder auf und tuckere die 15 km nach Jasienica, wo der geheime Grenzübergang ist. Jasienica finde ich, die Grenze auch, allerdings beschränkt sie sich auf eine Barrikade und ein Infoschild, das mich belehrt, dass die Republik Polen hier aufhört. Einen Anwohner befrage ich, er sagt mir, was mein Gefühl schon immer gesagt hat: hier kann man nicht die Grenze überqueren, ich muss 20 km zurück nach Paczkow fahren und dort Richtung Süden. Da hilft kein Schimpfen und kein Murren, also wieder zurück. Jetzt hab ich keine Lust mehr, mir Paczkow anzusehen, obwohl das eigentlich ein Fehler ist, aber dazu später.
Hier jedenfalls zeigen Wegweiser den Weg Richtung CZ und es dauert nicht lange, da bin ich wieder auf tschechischem Boden. In Bily Potok muss ich ein Fotopäuschen einlegen: Hier sehe ich die Produktionsstätte der kleinen Tschechinnen und Tschechen: echte lebende Störche auf ihrem Nest ......

Jetzt läufts wieder schön. Angenehme Strassen, angenehme Landschaft durch Wald und Wiese ... mein Weg läuft über Javornik nach Jesenik (gibt Note 3) und über Vrbno bis Bruntal (gibt Note 2 wegen den Serpentinen und dem Wald). Kurzes Päuschen in Bruntal, ich finde ein Café und schaffe es entgegen allen Erwartungen einen brauchbaren Kaffee zu kriegen und eines der leckeren Kuchenstückchen. Naja, umwerfend ist der Ort nicht, wettermässig ziehen ein paar Wolken auf, also geht’s weiter.
Nach Bruntal allerdings reisst die Tour landschaftlich ab, ich muss irgendwie an Ostrava bis Bielsko-Biala vorbei. Hier gibt’s wenig reizvolles, ich entschliesse ich mich zum „Kilometerfressen“ und nutze die Schnellstrassen. Kurz vor Ostrava bei Hlucin erweckt ein grösseres Denkmal mein Interesse. Hier ist ein Kriegsdenkmal, das imposant an den zweiten Weltkrieg erinnert. Neben dem beeindruckend grossen Bauwerk sind Panzer und Kanonen aus der Zeit ausgestellt – also für Militärliebhaber sicherlich ein muss. Ich gehöre da weniger dazu, ich sinniere über die Tatsache, dass so eine Kanone 15 km weit schiessen kann, und ich fahre weiter.

Jetzt ist es kurz vor 17 Uhr und eigentlich keine gute Reisezeit. Ich schaue mir die Karte an und beschliesse, erst mal Zywiec zu erreichen. Das ist ca. 60 km entfernt, das müsste gehen, zumal rund die Hälfte davon Autobahn sein müsste. Ich finde die Autobahn zwar problemlos, die mich um Ostrava herumführt. Die Route in Ciesyn zur Grenze ist da schon deutlich abenteuerlich. Da haben sie wohl vergessen, eine Kreuzungsmöglichkeit für die Autobahn zu bauen. Man biegt rechts ab, fährt etwa 5 km auf der Autobahn bis zur nächsten Abfahrt, dort fährt man auf der anderen Seite wieder auf die Autobahn und fährt die Gegenrichtung zurück. Ganz einfach..... Bis vor Zywiec geht’s tatsächlich mit Autobahn weiter – was man halt in Polen so Autobahn nennt. In Zywiec finde ich zwar ohne Problem direkt ins Zentrum, aber jetzt bin ich doch enttäuscht. Erstens hab ich für die 60 km fast rund zwei Stunden gebraucht und dann – hatte ich hier, wo das bekannteste polnische Bier herkommt, schon ein wenig mehr erwartet.

Hm, gefällt mir nicht besonders. Also, nachdem ich die Sehenswürdigkeiten in 5 Minuten besichtigt hatte, entschliesse ich mich, noch eine halbe Stunde zu fahren und vielleicht dann in den Beskidischen Bergen nach einer Übernachtung zu schauen. Hier in Zywiec sieht es nicht nach Hotel aus.
Ich starte wieder durch und komme als allererstes wieder in ein „Objazd“, eine Umleitung. Es kommt mir vor wie Stunden und es dunkelt schon, als ich schließlich wieder auf der normalen Route nach Sucha Beskidzka bin. Wiederholt sich heut das Drama schon wieder?
Zeltplätze gibt’s hier nicht, so wie es aussieht. Wozu hab ich eigentlich mein Zelt mitgenommen? Am Ortseingang von Sucha Beskidzka seh ich noch ein Schild „noclegi“. Ich fahre noch mal in den langgestreckten Ort. Kein Hotel, kein Camping, nix. Also zurück zum Schild. Abbiegen und noch einmal fragen. Jetzt seh ich das „noclegi“. Ich steige gerade ab, da guckt oben schon jemand vom Balkon herunter. Ich frage auf polnisch nach, ob ich noch ein Zimmer kriegen kann, und er antwortet in bestem englisch, dass das selbstverständlich möglich sei. Es ist ein Pole, der normal in Californien lebt ...... Vermutlich gehört ihm diese Pension und nicht dem etwas übergewichtigen aber netten Herrn, der zwar kein englisch mehr spricht, aber mit dem Verständigung dennoch möglich ist.
Für 40 zl, das sind 10 EUR, bekomme ich ein Zimmer mit zwei Betten und einem Fernseher, mit Radio und mit Bad. Die Einrichtung .... naja vergleichen darf man das nicht mit einem Hotelzimmer. Aber es ist warm und trocken. Und das Motorrad darf in der Garage neben einem anderen nächtigen.
Vor dem Schlafen muss ich allerdings noch etwas essen. Der kalifornische Pole empfiehlt das Schloss-Hotel. Da fahr ich zwar hin und seh mir das an. Da steht schon auf der Preisliste, dass man 20-30 Minuten aufs Essen warten muss. Zudem sieht es fast danach aus, als wäre ich der einzige Gast. So ganz angenehm ist mir das nicht, also fahre ich zurück in das Zentrum der langgestreckten Stadt und finde dort noch ein rustikales Restaurant. Das ist gar nicht so einfach festzustellen, ob die noch offen haben. Im Gegensatz zu deutschen Restaurants, die mehrheitlich hell erleuchtet sind, ziehen es die Polen offenbar mehr oder weniger vor, im Dunkeln zu essen. Also, ich verstehe die Speisekarte nicht, ich sehe auch nicht, was ich esse, aber es schmeckt wirklich gut und macht satt. Danach kauf ich mir im Lebensmittelladen – die sind bis 2 Uhr morgens geöffnet! – noch ein Tatra mocne zum Einschlafen und eine Zeitung und steuere mein noclegi an.
So besonders gut schlafen kann ich in dem Bett allerdings nicht, irgendwie hab ich die ganze Nacht den Eindruck, das Bett würde total schief stehen. Am Morgen weiß ich auch, weshalb: das ist kein Bett, es ist so eine Art Klappsofa und die Furche in der Mitte saugt sozusagen den Schläfer in sich hinein.

Tag 3 – ukrainischer Kaffee?
Km 44502
Länger als halb sieben kann ich nicht schlafen. So gemütlich ist es nicht unbedingt, also stehe ich auf. Zum Befreien meines Motorrades muss ich im Büro klopfen, dort macht mir ein gänzlich Unbekannter im Bademantel auf, dem ich trotz früher Stunde erklären kann, dass mein Motorrad in der Garage steht. Noch ein Bild fürs Fotoalbum, dann geht’s weiter.
Heute will ich die Ostgrenze von Polen erreichen und vielleicht noch für eine Tasse Kaffee in die Ukraine fahren.
Rote Strassen – schlechte Strassen. An diesem Morgen jedoch nicht. Die Strasse ist frei, kaum jemand ist unterwegs und die Aussicht auf den Frühnebel, der noch in den Tälern hängt ist fantastisch. Ich bewundere, auf wie viel verschiedene Arten das Stroh gebunden werden kann und bin erstaunt, dass manchmal mitten auf der grünen Wiese kleine Paläste stehen, für die es in Deutschland nie und nimmer eine Baugenehmigung gäbe. Zwischen Mszana Dolna und Nowy Sacz sieht es sehr nach Schwarzwald aus.

Eine erste Pause mache ich in Nowy Sacz. Hier muss ich jetzt endlich was frühstücken, schliesslich bin ich schon 2 Stunden unterwegs und hab .... gerade mal 80 km geschafft. Ich probiere wieder in der cukiernia meine Polnischkenntnisse aus und anschliessend noch mal im Internet-Cafe, das mir gerade recht kommt, jetzt kann ich mal eine Nachricht nach Hause mailen, dass ich noch gut drauf bin.
Nach kurzem Aufenthalt in Nowy Sacz geht’s weiter. Jetzt ist die rote Strecke etwas langweiliger, leider sehe ich auch keine richtige Alternative. Ich fahr weiter über Grybow, Gorlice und halte wieder in Biecz. Hier muss ich mal näher rangehen.... interessant.... das Rathaus kann sein früheres Dasein als Kirche nicht verbergen. Aber darüber hinaus gibt es noch eine weitere Kirche in den ansonsten kleinen Ort. Wirklich interessant – zwei ehemals katholische Kirchen? Oder war eines ein Kloster. Ich füchte, ich werde es nicht aufklären können.

Die rote 28 ist wirklich nicht besonders aufregend, also fahr ich durch bis Sanok (km 44749). Hier finde ich ausnahmsweise sofort die Stadtmitte und einen Parkplatz. Ich schau mir die Stadt ein wenig an, sehe, wie hier in Polen geheiratet wird, bestaune wieder einmal mehr die grossen Lautsprecher an den Häusern, die in Tschechien und Polen wahrscheinlich lange Zeit so eine Art Handy-Ersatz gewesen sein müssen. Ich finde das Wahlbüro von Lech Kaczynskis Partei, und außerdem ein Hotel. Ich frage schon mal für alle Fälle nach, ob sie ein Einzelzimmer haben – ja, das ist der Fall. Eigentlich will ich ja weiterfahren, aber man weiss ja nie.
Gut, es ist etwa halb zwei, nun will ich meine Absicht umsetzen und zum Kaffeetrinken in die Ukraine fahren. Ich starte durch und fahre Richtung Grenze.
Die Holzkirche am Strassenrand interessiert mich. Aha, so sieht also eine orthodoxe Kirche aus. Die werde ich hier noch häufiger finden. Viele davon auch im Bau, hier siehts fast danach aus, als würden sich die römisch-katholische und die orthodoxe Kirche das Terrain streitig machen .....

Eine halbe Stunde später stehe ich an der Grenze (km 44805). Die Schlange von etwa 30 Kfz vor mir erschreckt mich ein wenig, so lang war sie noch nirgends. Aber was mich mehr stört ist, dass die Abfertigung furchterregend lange dauert. Alle paar Minuten geht der Schlagbaum hoch, und manche schieben dann ihr Auto 4 Meter weiter. Ich spreche mit dem Beamten auf der polnischen Seite – er meint, zwischen ein und eineinhalb Stunden müsste ich schon rechnen, aber keiner weiß es genau. Das passt mir jetzt gar nicht. Wie lange werde ich bei der Rückreise an der Grenze stehen? Enttäuscht muss ich feststellen, dass – es ist mittlerweile 15 Uhr – die Zeit dann doch überaus knapp wird, für die kleine Ukraine-Expedition. Also entschließe ich mich wirklich ungern dazu, umzukehren, und stattdessen meine Tour im Südosten von Polen um den Jezioro Solinskie zu fahren.
Also zurück bis Ustianova Dolna und dort über Lobozew Dolna nach Solina. Dieses kurze Stück ist wieder eine Enduro-Teststrecke erster Güte. Die Strasse besteht aus einer Aneinanderreihung von Schlaglöchern grossen Kalibers. Da haben die Stossdämpfer vielleicht was zu tun. Hier fahren bestimmt keine Touristen. Vor Solina wird’s dann besser.
Auf der Karte ist die Route Solina – Sakowczyk – Czarna Grn. – Ustrzyki Grn. – Wetlina – Baligrod als landschaftlich sehr schöne Strecke gekennzeichnet, die in einem der am dünnsten besiedelten Landstrichen Europas liegen soll. Kaum bin ich in Solina erleidet der Zauber aber heftige Dämpfer. Ich bin hier in das Naherholungszentrum für Südpolen geraten. Alle paar Meter noclegis und Zeltplätze (pole namiotowe) und vor allem Autos und Fussgänger ohne Ende. Das wird zwar weniger, sobald man die Ortschaften verlässt, so fürchterlich wundervoll ist die Landschaft dennoch nicht. Sicher, das hat schon seinen Reiz, über dutzende von Quadratkilometer nur Landschaft und kein Ort und keine Stadt zu sehen. Die Strecke selbst ist aber nur mässig interessant. Aber gut, die ca. 150km lange Rundtour ist entspannend ...
Jetzt wird es wieder Abend, aber diesmal hatte ich ja schon vorgehabt, wieder mal in einem richtig guten Hotel zu schlafen und vor allem noch richtig essen zu gehen. Hier mitten in der Pampa sagen sich Fuchs und Hase gutenacht - also lasse ich die vielen Noclegis unbeachtet und fahr die 15 km nach Sanok und werde in den von mir am Nachmittag ausgesuchten Hotel vorstellig.
Die Rezeptionistin kann sich sogar an meine Anfrage am Nachmittag erinnern. Ich krieg die Zimmerschlüssel und ich darf auch hier mein Motorrad in den Hof stellen. Als ich mein Zimmer betrete, bin ich mir nicht mehr so sicher, ob die Entscheidung wirklich so gut war: Das Zimmer geht zur Hauptstrasse hinaus, und das scheint laut zu werden. Und das Bett? Wahrscheinlich haben Sie von Sucha Beskidza das Bett hierher gerollt, oder aber, diese Art von Bett wurde noch zu General Jaruzelskis Zeiten für Hotels hergestellt und stehen heut halt noch drin......
Ich dafür werde ich bestimmt ein nettes Restaurant finden, es ist Samstag Abend, das könnte doch klappen. Aber nein. Die Jugendlichen ziehen es vor, Ihre Flirtspiele in den Strassen von Sanok zu machen, indem sie sich in Grüppchen mal hierhin und mal dorthin setzen. Alles was ich finde ist zuerst eine stockdunkle Pizzeria (haben die Polen Angst, dass man erkennen könnte, was auf dem Teller liegt?) und dann noch ein Gartenrestaurant, unwesentlich heller, dessen einzige Bedienung aber wohl leicht überfordert ist. Wahrscheinlich sieht sie mich auch nicht in den dunklen Motorradklamotten. Nach 10 Minuten warten und ignoriert-werden geh ich zum Sklep Spozywczy, decke mich mit Chips und Bier ein und ziehe mich in mein Hotelzimmer zurück und sehe auf polnisch im Fernsehen, wie ein Deutscher Papst in Köln Segen spendet. Gute Nacht !


Und wenn ihr wissen wollt, wie´s weiter geht .... dann im Teil 2 schauen.....

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