Schwarzer Edeldiamant

Zach Ness verfeinert Victory Vegas

26. August 2011 Sind das jetzt Swarovski-Steine oder nicht? Es glitzert und funkelt an Handgriffen, Lenkstange, Fußrasten und Motorgehäuse, als wäre das mattschwarze Motorrad mit hunderten von Diamanten besetzt. Spezielle kontrastreiche Felgen, ein wenig Chrom hier, mattgraue Zierstreifen dort, Mattschwarz irgendwie überall - das Design irritiert, polarisiert, fasziniert. Es ist so zurückhaltend und doch so auffällig. Mir gefällt's! Und zwar ausgezeichnet.



Man sieht es gleich und die Vermutung wird bestätigt: Dies ist kein Motorrad von der Stange, sondern eine fein veredelte Vegas vom Designer. Grund genug für uns, die technischen Daten der Vegas zugunsten des ausgefallenen Designs dieses limitierten Modells etwas weiter in den Hintergrund zu stellen. Ausführliche Fahrtests muss aber auch dieses Schmuckstück absolvieren, doch dazu später mehr.

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Aufklärung bringt Gewissheit: Nein, keine Steinchen vom Juwelier. "Holeshot" nennt Designer Zach Ness seine Schöpfung, die das edle Funkeln verursachen. Ja gut, aber wer ist Zach Ness, der dann auch noch Tank und Fender mit feinster Grafik verziert und Spezialräder montiert?

Die Ness-Family
Exkurs: Vielleicht kennen Sie Zach ja nicht, aber vielleicht seinen Vater Cory Ness? Bestimmt doch seinen berühmten Opa Arlen Ness? Den zumindest kennen alle Harley-Freaks, die jemals ein Teil an ihrer Maschine verändern wollten. Drei Generationen der berühmten Designerfamilie aus den USA prägten und prägen bis heute die Customizer-Szene weit über die Staaten hinaus. Vor allem stylische und futuristische Anbau- und Zubehörteile aus Chrom für Harley Davidson-Motorräder tragen den berühmte Ness im Namen. So. Und Großvater, Vater und Sohn hatten nun von Victory den Auftrag, für die 2011er Modelle jeweils ein Modell nach eigenen Vorstellungen zu designen - in limitierter, nummerierter und signierter Auflage. Zach nahm sich die Vegas vor, Papa Cory die Cross Country und Opa Arlen die Vision Tour. Wie zu erwarten, kamen drei exklusive Meisterwerke aus den Studios auf die Straße. Hier im Test also die Vegas vom jüngsten Spross der Familie.



Wenn Sie mich fragen (brauchen Sie nicht, ich schreibe es ja sowieso), gehört diese Zach Ness-Vegas ins Museum, in die gut sortierte Zweirad-Sammlung oder eine gut beheizte Garage und bei schönem Wetter sonntags mal raus zur genüsslichen Ausfahrt. Einige der verlesenen Exemplare werden wohl so behandelt werden und vom ruppigen Alltagsgebrauch ferngehalten - zu Recht.

Luxus im Alltag
Ein nicht so feudales Leben beginnt unsere Testmaschine bei fast jungfräulichem Kilometerstand, dafür aber in artgerechter Haltung. Die ersten Autobahnabschnitte mit Staus, Landstraßen im Dauerregen, städtischer Baustellenverkehr: Alltag wie für jedes andere Motorrad. Und natürlich genauso wie für jede andere Victory Vegas. Halt, nicht ganz...

Erstens: Mattlack. Ich steh' drauf. Edel, neutral, zurückhaltend und doch ein wenig böse. Aber jeder weiß, dass diese Oberfläche höchst empfindlich ist. Kratzer bleiben, einfach wegpolieren geht nicht. Also Vorsicht vor allem bei Tank und Heckfender.

Zweitens: Solositz. Prima, muss ich niemanden mitnehmen. Kehrseite: Wohin mit dem Gepäck, auch wenn es nur eine Flasche Wasser oder das iPad ist? Rucksack? Uncool. Nun hat die Ness-Vegas stabile seitliche Fenderhalter, die sich zum Befestigen von Zurrgurten eignen. Das Heckgepäck liegt aber direkt auf dem mattschwarzen Fender auf und scheuert beim Beschleunigen und Bremsen immer mal ein paar Millimeter hin und her. Problem: Siehe unter Erstens. Ein leicht (de)montierbarer Gepäckträger für die längere Tour wäre die Ideallösung - bitte im Ness-Design!



Drittens: Blinker. Wohl den europäischen Vorschriften scheint es zu verdanken, dass an das Designer-Bike diese mit Verlaub hässlichen großen gelben Dinger vorn und hinten verbaut wurden. Die Firma Kellermann wird sich freuen: Ihre winzigen Zubehör-Miniblinker mit LED-Technik in schwarzer Ausführung harmonieren ausgezeichnet mit dem übrigen Design des Bikes und gehören quasi als erstes ausgetauscht. Wo wir gerade bei Verbesserungsvorschlägen sind, würde sich der 181 cm große Fahrer für seine langen Beine geringfügig vorverlegte Fußrasten wünschen. Zugegeben: Meckern auf hohem Niveau!

Und viertens fährt sich die Ness-Vegas wie ihre Serien-Geschwister. Das ist durchaus als Lob zu verstehen. Vor allem der mächtige V-Twin mit 1731 ccm und 89 PS (66kw) ist ein Sahnestück. Das Drehmoment von maximal 140 Nm liegt sehr früh an und treibt den Zweizylinder in jedem der 6 Gänge schon unten herum mächtig an. Das Getriebe lässt sich knackig schalten, wobei auch in höheren Gängen genug Power zur Reserve steht, um ohne Gangwechsel einen flotten Zwischenspurt hinzulegen.



Super Bremse! ABS kommt sicher!
Vorbildlich - und deswegen hier einmal ausführlich gewürdigt - ist auch das extrem leichte Auffinden der Leerlaufposition. Das erspart dem Fahrer stressiges Fuß-Gedrücke und -Geziehe auf dem Schalthebel, wenn z.B. an der Mautstelle zwecks Geldübergabe die Kupplungshand vom Lenker genommen werden muss, während hinter einem die ungeduldigen Autofahrer warten. Der Autor weiß aus leidiger Erfahrung mit vielen anderen Fabrikaten diese Eigenschaft der Victory-Modelle sehr zu schätzen!

So bilden der kräftige mit Luft und Öl gekühlte Zweizylinder-Viertakter mit elektronischer Benzineinspritzung, das exakte 6-Gang-Getriebe mit Overdrive und der wartungsarme Riemenantrieb eine vortrefflich harmonische Antriebseinheit. Ein Übriges tragen die beiden gut dosierbaren und kräftigen Brembo-Bremsen zum positiven Gesamtbild bei. Jedoch ergeht auch hier, wie schon bei der Wide Glide von Harley Davidson, der dringende Ruf ins Victory-Herstellerland Amerika, zumindest für Europa die Option auf ABS anzubieten! Auf dieses Plus an Sicherheit möchte hier niemand mehr verzichten. Harley hat es schon verstanden – und wie zu hören ist, Victory auch! Wer für die Ness 18.990 Euro ausgeben kann und will, dürfte für die elektronische Bremshilfe wohl auch gerne einige Taler mehr auf den Tisch legen.

Das Fahrwerk ist hart, aber ehrlich. Vorne in der Upside/Down-Telegabel hängt ein 90er Reifen auf der 21-Zoll-Spezialfelge des Ness-Modells, hinten rollt ein 80er Dunlop-Gummi auf 18 Zoll. Federwege, Fahrkomfort, Straßenlage, Schräglagen-Verhalten in Kurven; alles erste Sahne.



So rollt die Vegas Zach Ness von der Testfahrt zurück in die deutsche Polaris-Zentrale Griesheim, um dort für ihren Auftritt bei der jetzt bevorstehende Riesen-Bikerfete am Faaker See in Österreich wieder schön hergerichtet zu werden. Dort wird sie als „Gesamtkunstwerk“ auf dem Victory-Stand so manche Harley in den Schatten stellen.



Autor: Martin Joachim

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Kommentare


ABSENDEN

Missing_mini
Gelöschter Benutzer
komisch in der Bildergalerie sind noch so hässliche Katzenaugen an der Gabel - weiter unten sind sie wech ;-) ein Schelm wer böses dabei Denkt.
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der0snabruecker
Nun ja, wer schon Testberichte verfasst solte eigentlich wissen, was eine Upside/Down-Telegabel ist!! Die an der abgebildeten Victory ist bestimmt keine - oder täuscht da was?
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gutfra
cooles Bike
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