Ducati Hypermotard 1100 Evo/SP

Eigenständig bis eigenwillig

11. March 2011 Ducati trennt die Hypermotard-Modelle stärker voneinander und stellt mit der Hypermotard 1100 Evo SP sogar ein völlig eigenständiges Modell mit individuellem Fahrverhalten auf die langen Beine

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Vom Hypermotard-Serienstart hatte man sich bei Ducati einiges mehr erhofft, doch das Citymobil im Offroadmantel fand hierzulande nicht allzu viele Bewunderer. Die beiden Hypermotard Evo-Modelle sollen es besser machen, denn bei diesem Duo weicht Ducati zumindest teilweise von der hauseigenen Strategie ab: Während bei allen Baureihen von der Monster bis zum Superbike die gleiche Zweiwege-Strategie herrscht – neben dem Standardmodell gab es eine S-Version, die sich durch hochwertigere Federelemente, eine edlere Ausstattung samt spürbarer Gewichtseinsparung auszeichnet – gehen die Bologenser nun einen anderen Weg.

Doch zunächst zu den Gemeinsamkeiten: Gegenüber dem Vorgänger-Duo liegt die Evolution (=Evo) in einer Gewichtsreduktion um stolze sieben Kilo einhergehend mit fünf PS mehr Leistung – darin unterscheiden sich die beiden 1100er nicht. Für diese bemerkenswerte Reduktion spart allein der überarbeitete 90-Grad-Desmovau durch kompaktere Dimensionen, einen Magnesium-Lichtmaschinendeckel​ und das im Vakuum-Gussverfahren hergestellte Gehäuse stattliche 5,2 Kilo Gewicht ein. Ein überarbeiteter Gitterrohrrahmen samt Kohlefaser-Verkleidungsteilen und leichterem Kabelbaum bringen die übrigen 1,8 Kilo Gewichtsersparnis. Die Mehrleistung des luft-ölgekühlten Motors resultiert zuvorderst aus einem neuen Zylinderkopf mit geänderten Nockenwellen, überarbeiteten Luftführungen und optimierten Motorinnereien. Heraus springen für das mit desmodromisch gesteuerter Zweiventiltechnik und 1078 cm3 Hubraum versehene Aggregat nun 95 PS bei 7500/min sowie beachtliche 105 Newtonmeter, die bei 5750 Umdrehungen anliegen.

Davon abgesehen, entpuppt sich die SP-Version nicht als veredelter Abklatsch der Standardversion, die SP ist viel mehr als eine aufgewertete Basisversion – hier handelt es sich um ein richtiggehend eigenständiges Modell, das sich auch anders fährt. Selbst flüchtig betrachtet fallen die Unterschiede auf: Die SP wirkt deutlich langbeiniger, die Silhouette ist luftiger. Das liegt an völlig anderen, deutlich längeren Federelementen, die mehr Federweg und daraus resultierend 30 Millimeter mehr Bodenfreiheit bieten. Weitere Unterschiede sind die schwarze USD-Gabel mit reibungsarmer DLC-Beschichtung, leichtgewichtige Schmiederäder von Marchesini – die das Trockengewicht um ein weiteres Kilo auf 171 drücken – sowie brachiale Brembo-Monobloc-Radialbremszan​gen​ und ein serienmäßiges Datarecording-System. Optisch signalisiert die SP mit weißen Zierstreifen und einem Ducati Corse-Logo ihre Ausnahmestellung.

Beide 1100er Evos bewahren den Hingucker-Effekt der atemberaubenden Ducati Konzeptstudie von der EICMA 2005, die damals als Testlauf für die Publikumsreaktionen diente. Also mit all den feinen Spielereien, von denen niemand glaubte, dass sie den Serienanlauf erleben würden – mit witzigen Klappspiegeln, Handprotektoren mit integrierten LED-Blinkern, futuristischem Cockpit und der äußerst schmalen, filigranen Gesamterscheinung.

Dass die Vorstellung auf der unbekannten Rennstrecke von Mores im Herzen Sardiniens stattfand, einer 1650 Meter langen Supermoto-Strecke mit kniffligen Schikanen und engen Kurven, liegt in der Natur der SP: Beim Aufsitzen thront man in mutigen 875 Millimeter Höhe, doch der durch höhere Lenkerböcke angehobene Lenker sorgt für eine harmonische, aber immer noch deutlich vorderradorientierte Haltung wie bei einer Groß-Supermoto. Über die breite Lenkstange lassen sich Fahrbefehle sehr gut einleiten, die SP folgt dem Fahrer willig in enge Kurven und hält die eingeschlagene Linie recht neutral bei. Von der bislang arg kritisierten Kippeligkeit und Nervosität zeigt sich die SP jedenfalls deutlich kuriert. Geblieben sind die aggressiv zupackenden Monobloc-Radialzangen aus dem Hause Brembo, die die mächtige 50er Marzocchi-Gabel schnell, aber nicht unkontrollierbar in die Knie zwingen. Mit den warmen, klebrigen Sportreifen Marke Pirelli Diablo Supercorsa SP ergibt sich damit ein brachiales Stoppvergnügen erster Güte – astrein für die Rennstrecke, aber schwierig zu dosieren im Alltagsbetrieb.

Als Quell der Freude entpuppt sich auch das modifizierte Triebwerk. Die erleichterte Schwungmasse aus dem Supersportler 848 lässt den Vau spontan auf Gasbefehle ansprechen und schnell bis in den Begrenzer hochdrehen, seine Stärke bleibt jedoch die druckvolle Mitte. Zwei Lambdasonden, je eine pro Zylinder, kümmern sich um eine exakte Abgasentgiftung und bescheren einen seidenweichen Motorlauf ohne die lästigen Lastwechsel im unteren Drehzahlbereich, die das Vergnügen bei den Vorgängermodellen noch einschränkten. Diese Auslegung mit viel Druck unten herum und in der Mitte fördert den Fahrspaß, die edle Italienerin lässt sich ohne besondere Anstrengungen locker aufs Hinterrad stellen. In der 13750 Euro teuren SP-Auslegung hat sich das Ducati Hypermotard-Konzept deutlich einem waschechten Supermoto-Einsatzzweck genähert, denn auch eine artgerechte Fahrweise mit ausgestelltem Bein und Hineindrücken in die Kurve ist nun dank der größeren Bodenfreiheit mit später aufsetzenden Bauteilen möglich.

Weniger renntauglich ausgelegt, dafür mit mehr Alltagsqualitäten versehen steht die neue Basisversion Hypermotard 1100 Evo für rund 11450 Euro da. Trotz der immer noch respektablen Sitzhöhe von 845 mm fühlt man sich recht bequem gebettet, längere Touren dürften indes kaum Vergnügen bereiten – dafür ist allein schon das Polster zu schmal. In aufrechter Körperhaltung genießt der Pilot die Qualitäten des identischen Antriebs, die drehmomentorientierte Auslegung sorgt für ein souveränes Landstraßenfeeling mit viel Übersicht und Überholpotenzial. Bei Präzision und Leichtfüßigkeit erreicht sie indes nicht das Niveau der neuen SP-Version, der niedrigere Schwerpunkt und die kompakteren Verhältnisse machen sie für reine Straßenfahrer dennoch zur besseren Wahl. Abseits der Rennstrecke macht die herkömmliche Bremsanlage mit ihrem entschärften Biss deutlich mehr Sinn, verlässlich und ordentlich dosierbar verringert sie zusammen mit den kürzeren Federwegen die Überbremsgefahr.

Im kurvigen Asphaltgeschlängel dürfte diese Hypermotard einen unproblematischen Fahrspaß bereiten, vermutlich mehr als jedes andere Modell der italienischen Edelmarke. Auf abgesperrten Pisten wie der kleinen Mores-Rennstrecke finden versierte Supermoto-Drifter in der SP jedoch die bessere Partnerin. Vorm Café ist die Wahl indes egal: Hier ziehen beide Italienerinnen mit ihrer rattenscharfen Optik die Blicke der Passanten an.


Technische Daten Ducati Hypermotard 1100 Evo/SP

Motor:
Luftgekühlter 90-Grad-Zweizylinder-Viertakt-​V-Motor,​ zwei Ventile, eine obenliegende Nockenwelle pro Zylinder, elektronische Kraftstoffeinspritzung mit 45 mm Drosselklappendurchmesser, geregelter Katalysator, E-Starter.
Hubraum: 1078 cm3
Bohrung x Hub: 98 x 71,5 mm
Leistung: 95 PS (69,9 kW) bei 7.500 U/min
Max. Drehmoment: 105 Nm bei 5.750 U/min
Verdichtungsverhältnis: 11,3 : 1

Kraftübertragung:
Primärantrieb über Zahnräder, hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Nasskupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette zum Hinterrad.

Fahrwerk
Gitterrohr-Stahlrahmen, vorn in Federvorspannung, Zugstufen- und Druckstufendämpfung einstellbare Upside-Down-Telegabel mit 50 mm Gleitrohrdurchmesser und 165/195 mm Federweg, hinten Aluminium-Einarmschwinge, in Federvorspannung, Zug- und Druckstufendämpfung verstellbares, angelenktes Zentralfederbein mit 141 mm Federweg.
Bremsen: Vorn 305 mm-Doppelscheibenbremse mit radial montierten Vierkolben-Festsätteln, hinten 245 mm-Einscheibenbremse mit Zweikolben-Festsattel.
Räder: Leichtmetall-Gussräder, vorn 3.50 x 17, hinten 5.50 x 17
Bereifung: Vorn 120/70 ZR 17, hinten 180/55 ZR 17
Elektrik: 12 V, Drehstromlichtmaschine 360 W, Batterie 10 Ah

Maße und Gewichte
Tankinhalt: 12,4 Liter
Länge/Höhe/Breite: 2120/1155/900 mm (1200 mm mit ausgeklappten Spiegeln)
Sitzhöhe: 845/875 mm
Radstand: 1455/1465 mm
Lenkkopfwinkel: 66°
Nachlauf: 100 mm
Trockengewicht: 172/171 kg
Zul. Gesamtgewicht: 390 kg

Preis/Garantie
Preis: 11.450 / 13.750 Euro zzgl. NK
Garantie: Zwei Jahre ohne Kilometerbeschränkung
Inspektionsintervalle: 1000 km, danach alle 12.000 km

Autor: Thilo Kozik



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